Das Fernglas

1. Die Geschichte

Der Wunsch weit Entferntem nahe zu sein beschäftigte die Menschheit schon rechtfrüh. So wurde bereits 1600 in den Niederlanden ein erstes funktionstüchtiges "Fernrohr" von Johann Lipperhain gebaut. Er benutzte zwei Brillengläser die einanderversetzt in eine Röhre montiert wurden. Mit diesem einfachen Gerät konnte man die Dinge schon recht nahe sehen. Der berühmte italienische Forscher Galileo Galilei griff diese Erfindung auf und baute 1610 einen verbessertes Fernrohr nach gleichem Typ. Dieses wurde dann auch später nach ihm benannt. Nochmals verbessert wurden die Fernrohre von den deutschen Wissenschaftlern Johannes Keppler und Joseph Fraunhofer. Diese galileischen Fernrohre waren recht lang und besaßen eine Vergrößerung von 3x – 5x und hatten ein sehr geringes Sehfeld. Höhere Vergrößerungen erreichte man mit Doppelfernrohren, die eine weitaus längere Bauart aufwiesen – später konnte man diese dann auch zusammenschieben. Da die Doppelfernrohre hauptsächlich militärisch genutzt wurden (auf freiem Feld) nannte man sie auch "Feldstecher".

Dem italienischen Offizier Ignaz Porro gelang es 1854, ein monokulares Fernrohr mit Prismenumkehrung zu konstruieren. Diese Bauart ermöglichte die Herstellung wesentlich handlicherer Geräte die zugleich ein größeres Sehfeld hatten. Das Glasmaterial und die benötigte Präzision waren aber zur damaligen Zeit noch recht unzureichend. Erst Ernst Abbe gelang dann 1893 die serielle Herstellung eines Porro-Prismen Fernglases mit akzeptabler optischer Leistung.

Anfang des 20. Jahrhunderts beschäftigte sich auch Moritz Hensoldt mit der Herstellung eines Prismensystems welches im Vergleich zum Porro-System schlanker war, aber gleichzeitig einen größeren Objektiv-Durchmesser erlaubte. Dieses neuartige "Dachkant-System" wurde 1905 patentiert.

Alle in der heutigen Zeit hergestellten Ferngläser werden unter Berücksichtigung dieser beiden Prismen-Systeme gefertigt.

2. Die Eigenschaften

2.1 Die Kennzahlen

Wieviel wir mit einem Fernglas sehen, hängt von der Vergrößerung und von dem Objektiv-Durchmesser ab. Die erst genannte Kennzahl eines Fernglases gibt die Vergrößerung an, die letze Zahl den Objektiv-Durchmesser. Somit hat das Bresser Everest 8x42 Fernglas eine 8-fache Vergrößerung und einen Objektiv-Durchmesser von 42 mm. Bei Beobachtungen in der Dämmerung ist das Verhältnis zwischen Objektiv-Durchmesser und Vergrößerung wichtig. Diese Kennzahlen sind nur für einen Vergleich unterschiedlicher Fernglas-Typen (8x30, 7x50, 16x50 usw.) interessant. Aus Ihnen resultieren alle Formeln die zum Vergleich benötigt werden. Sie sagen nichts über die Qualität eines Fernglases aus und berücksichtigen keine Leistungsteigerung durch Vergütung oder hochwertigere Glassorten.

2.2 Die Vergrößerung

Ein Prismenfernglas 7x50 hat also eine 7-fache Vergrößerung. Dieser Wert gibt die scheinbare Vergrößerung des zu betrachtenden Objektes an. Das heißt, dass ein 700 m entferntes Objekt so groß erscheint, als ob es 100 Meter entfernt ist. Man kann aber nicht sagen je höher die Vergrößerung, desto besser ist ein Fernglas, da bei einem Fernglas mit hoher Vergrößerung die Detailerkennbarkeit stark nachlässt. Sei es durch die „mitvergrößerten Haltebewegungen“ oder durch die schlechte Abbildungsqualität.

2.3 Der Objektivdurchmesser

Die zweite Kennzahl bezeichnet den Objektiv-Durchmesser in mm. So hat ein 7x50 Prismenfernglas einen Objektiv-Durchmesser von 50 mm. Dieses ist ein wichtiges Leistungsmerkmal, denn je höher ein Objektiv-Durchmesser ist, desto größer ist der Lichteinfall und somit ist auch die Abbildung heller. Ein Durchmesser von 21 mm (8x21) ist für Beobachtungen bei Tag ausreichend. Wenn aber Beobachtungen während der Dämmerung gemacht werden müssen, sollten die Ferngläser aber mindestens einen Durchmesser von 50 mm haben.

2.4 Die Austrittspupille

Die Austrittspupille ist der helle Bildpunkt welcher an der Okularseite auf das Auge des Betrachters trifft. Diese Austrittspupille ist für Dämmerungssehen von immenser Bedeutung. Je größer sie ist, desto heller erscheint die Abbildung in Ihrem Auge. Sie wird errechnet in dem man den Objektiv-Durchmesser durch die Vergrößerung dividiert. Bei einem 7x50 Fernglas wäre das:
(Objektiv-Durchmesser/Vergrößerung)
z.B.: 50 : 7 = 7,14

Die maximale Öffnung der Pupille des menschlichen Auges hängt von den Augen und dem Alter des Beobachters ab. Die Fähigkeit der Pupillen sich bei Dunkelheit zu vergrößern lässt mit zunehmendem Alter nach. Die Pupillen eines jungen Beobachters können sich noch auf 7 mm erweitern, bei einem 50-jährigen Beobachter allerdings nur noch bis zu 5 mm. In diesem Fall kann der Natur-Beobachter die weitere Austrittspupille eines 7x50 Fernglases nicht mehr nutzen und sollte sich besser für ein leichteres 8x40 Fernglas mit einer Austrittspupille von 5 mm entscheiden. Dennoch kann es auch für ältere Menschen von Vorteil sein sich für ein Fernglas mit hoher Austrittspupille zu entscheiden. Bei Beobachtungen „aus der Bewegung“ oder auf einem Boot (sich bewegender Standort) gerät die Pupille des Beobachters (die sich bei Tag nur etwa auf 2 mm weitet) nicht so schnell außerhalb des Austrittspupillen-Durchmessers und „Abschattungen“ des Sehfeldes werden vermieden.

2.5 Die Dämmerungszahl

Meistens sind es Tiere die nur während der Dämmerung beobachtet werden können und gerade zu dieser Tageszeit sind die Lichtverhältnisse schon für Beobachtungen mit dem bloßem Auge nicht gerade ideal. Um so lichtstärker muss ein Fernglas sein, damit auch noch während der Dämmerung in den Morgen- oder Abendstunden Einzelheiten zu erkennen sind.

Ferngläser müssen schon eine Vergrößerung von min. 7-fach und einen enstprechenden Objektivdurchmesser von min. 50 mm haben um dieser "Dämmerungsleistung" gerecht zu werden. Die Leistung, Beobachtungen auch noch bei Dämmerung durchführen zu können, werden in der Dämmerungszahl angegeben. Dieses ist ein standardisierter Wert zum Vergleich von optischen Geräten bezüglich Detailerkennbarkeit insbesondere bei schlechten Lichtverhältnissen. Je größer die Dämmerungszahl, desto lichtstärker ist das Gerät. Die Dämmerungszahl errechnet sich aus der Quadratwurzel des Produktes von Vergrößerung und Objektivdurchmesser. Bei einem 7x50 Fernglas also:
(Quadratwurzel aus Vergrößerung x Objektiv-Durchmesser)
z.B.: ?7x50 = 18,7

2.6 Die Lichtstärke

Eine weitere Maßeinheit für die rechnerische Helligkeit eines Fernglases ist die Lichtstärke. Modelle mit hoher Lichtstärke sind ebenso besonders für die Beobachtungen in der Dämmerung geeignet. Die Lichtstärke errechnet sich mit folgender Formel:
(Objektiv-Durchmesser : Vergrößerung)2
z.B.: 50 : 7 =7,14 | 7,14 x 7,14 = 51
Bei der Berechnung der Lichtstärke und der Dämmerungszahl wird nicht die leistungssteigernde Ausstattung des Glases berücksichtigt, wie z.B. Barium-Kronglas(BaK-4) oder eine Mehrschichtvergütung. Die relative Lichtstärke berücksichtigt die Verwendung von besonderen Glasmaterialien oder Vergütungen.

2.7 Die Pupillen-Distanz

Die Pupillen-Distanz ist der Abstand zwischen den Austrittspupillen der beiden Okulare. Sie lässt sich durch knicken des Fernglases an der „Knickbrücke“, einem Gelenk zwischen den beiden Fernglashälften, verstellen und universell jedem Beobachter anpassen.

2.8 Der Augenpunkt (Brennpunkt des Okulars)

Mit ihm wird angegeben, wie weit entfernt sich das Auge von dem Okular befinden darf, ohne dass man den Blick auf das vollständige Sehfeld verliert. Der Augenabstand ist bei fast allen Ferngläsern durch umklappbare Gummiaugenmuscheln oder durch dreh- oder herausziehbare Augenmuscheln zu verändern. Somit können die Ferngläser mit diesen sogenannten „Brillenträger-Okularen“ auch von Brillenträgern genutzt werden. Wichtig dabei ist, dass bei diesen Okularen die Austrittspupille möglichst weit hinten gelagert ist (15-20 mm).

2.9 Das Sehfeld

Die Sehfeldgröße wird bei den meisten Ferngläsern (neben Vergrößerung und Objektiv-Durchmesser) ebenfalls auf dem Fernglaskörper abgedruckt. Die Größe des Sehfeldes wird in Europa meist in m auf 1000 m Entfernung oder ansonsten als Winkel angegeben. Hat ein Fernglas das Sehfeld von 101m/1000m so wird der Beobachter in 1000 m Entfernung ein 101 m breites oder rundes Sehfeld sehen.

Je höher die Vergrößerung desto kleiner ist das Sehfeld. Das Sehfeld kann aber durch besondere optische Konstruktionen (BRESSER SWA) erhöht werden. Bei Ferngläsern die keine besonderen Systeme (z.B. Spiegel-Prismen-System) besitzen, dennoch aber mit einem sehr hohen Sehfeld ausgestattet sind, kann zuweilen die Randschärfe „leiden“. Dieses lässt sich bei Beobachtungen von feinen durchgängigen Strukturen (Mauer oder Zaun) überprüfen, indem man die Schärfe von Rand zu Rand vergleicht (man muss bei der Prüfung gerade vor dem Beobachtungsobjekt stehen).Wird das Sehfeld in Grad angegeben, so kann durch multiplizieren mit 17,45 der entsprechende „Meter-Wert“ errechnet werden. Ein Sehfeld von 101 m entspricht somit 5,79 Grad.

2.10 Die Scharfeinstellung

Man unterscheidet Ferngläser mit Einzelokular-Einstellung und solche mit Mitteltrieb (Zentralfokussierung). Ferngläser mit Mitteltrieb lassen sich schneller einstellen und sich bewegenden Objekten kann schneller gefolgt werden. Prismengläser mit Einzelokular-Einstellungwerden meist für den Einsatz auf See genutzt. Durch die Einzelokular-Einstellung ist eine absolut wasserdichte Bauform gewährleistet. Erst seit Kurzem werden auch wasserdichte Modelle mit Zentralfokussierung angeboten. Wegen seiner Robustheit wird aber bei der Seefahrt und auf Sportyachten nach wie vor die Bauart mit der Einzelokular-Einstellung bevorzugt.

2.11 Die Gummiarmierung

Ferngläser mit Gummiarmierung sind für den harten, berufsmäßigen Einsatz empfehlenswert. Die schwarze oder oliv-grüne Gummiarmierung schützt das Fernglas bei Stoß, Fall und gegen Spritzwasser. Die Gummiarmierung bei allen BRESSER- und Meade-Ferngläsern ist bei normalem Gebrauch lichtecht und unempfindlich gegen Sonneneinstrahlung. Wie gesagt nur gegen Spritzwasser – wasserdicht sind diese Gläser nicht!

3. Das Glas

3.1 Die Vergütung

Normale optische Linsen haben die Eigenschaft der Verminderung des Kontrastes durch Streulicht. Bei unvergüteten Linsen wird nur ungefähr 50-60% des Lichtes durchgelassen. Durch Vergütung der Linsen, das heißt durch Aufdampfen von mehreren reflexmindernden Mineral-Schichten, wird die Reflexion erheblich gemindert und die Lichttransmission (Durchlässigkeit) gesteigert. Ein voll vergütetes Fernglas lässt schon 70-75 % des Lichtes in den Strahlengang ein. Durch Verwendung spezieller Vergütungen (Voll-Mehrfach-Vergütung) wird die Lichtstärke bis zu 95 % gesteigert (Montana 8.5x45).

Eine Besonderheit bei den Vergütungen ist die Ruby- oder Rot-Vergütung. Bei diesen Ferngläsern ist eine 7- bis 15-lagige rubinfarbene Mineralschicht auf die Objektiv-Linsen aufgedampft worden. Diese Vergütung erhöht bei Sonnenlicht den Kontrast des Fernglas-Bildes, da die Rot-Anteile des Lichtes weitgehend ausgefiltert werden (z.B. Cobra).Es ist allerdings auch zu sagen, dass durch die Rot-Vergütung die Lichtstärke des Glases um ca. 7% gemindert wird.

Die verschiedenen Vergütungsgrade sind:

a) Teilvergütung
Bei dieser Vergütung ist bereits die äußere Objektiv- und Okular-Linse vergütet.

b) Vollvergütung
Bei der Vollvergütung wurden alle dem Licht zugewandten Glasflächen (bei Verlauf des Strahlenganges) einmal bedampft.

c) Mehrfach-Vergütung
Hierbei werden alle dem Licht zugewandten Glasflächen vergütet (wie bei der Vollvergütung), jedoch noch zusätzlich mit je einer Schicht auf den äußeren Objektiv- und Okular-Linsen.

d) Voll-Mehrfach-Vergütung
Bei dieser qualitativ besten Vergütungsart werden alle dem Licht zugewandten Glasflächen der Prismen und Linsen mindestens 3 mal vergütet.

3.2 Das Glasmaterial

BRESSER- oder Meade-Prismengläser sind mit Bk-7 oder BaK-4 Prismen und Linsen ausgestattet. Ein einfacher Test bzgl. des Glasmaterials bei Porro-Prismen-Gläsern ist der Blick durch die Okular-Linse, wobei man das Fernglas ca. 30-40 cm vom Auge entfernt vor einen hellen Hintergrund hält. Erscheint die Austrittspupille viereckig mit am Rand abgedunkelten Feldern handelt es sich um optisches Bk-7 Glasmaterial (Bor-Kronglas = Standard für gute Abbildungsleistung). Ist die Pupille rund und ohne Schattierungen, so wurde das beste BaK-4 Glasmaterial verarbeitet (Barium-Kronglas = noch bessere Detailauflösung u. helleres farbtreues Bild). Ein Beispiel für Bk-7 Material ist das Speed Prismenglas (Speed verfügt zusätzlich über einen „Stop and Go“-Mitteltrieb). Beispiel für das BaK-4 Glasmaterial ist das 7x50 Luchs.

3.3 Porro- oder Dachkant-Prismen

Die Art der verwendeten Prismen bestimmt die Bauform eines Prismenglases. Die Verwendung von Porro-Prismen führt zu breiten Ferngläsern die aber nicht allzu hoch sind. Durch den größeren Objektiv-Abstand beim Porro-System sieht das zu beobachtende Objekt ein wenig plastischer aus. Dieses ist am ehesten bei hohen Vergrößerungen und bei kürzeren Entfernungen feststellbar. Kompakter und handlicher sind aber die Ferngläser mit Dachkant-Prismensystem.

3.4 Achromate

Ein Achromat ist eine optisch gekittete Doppellinse. Farb- und Abbildungsfehler einer Einzellinse werden durch einen Achromaten weitgehend eliminiert. Ein gutes Fernglas hat wenigstens je einen Achromaten im Okular und Objetiv-Linsensystem.
Bei Air-Achromaten sind beide Linsen durch einen schmalen Luftspalt getrennt. Durch den Einsatz von Air-Achromaten ist es möglich, die Baulänge zu verkürzen und so noch kompaktere Ferngläser herzustellen (Corvette). Diese Bauart wird aber hauptsächlich bei Refraktor-Teleskopen angewandt.

4. Fernglastypen

4.1 Binocom oder Nautic

Die Binocom- oder Nautic-Ferngläser sind extra für den Wassersport und die Schifffahrt entwickelt worden. Das Eindringen des Wassers wird duch die Nitrogengasfüllung verhindert. Es gibt diese Modelle sowohl als Taschen- oder „herkömmliches“ Porro-Fernglas als auch in der Einzelokular-Bauweise oder mit Zentralfokussierung. Einige Modelle werden auch mit beleuchtetem Kompass und Schwimmgurt angeboten (Binocom & Nautic II).

4.2 Nachtglas oder Nachtsichgerät

Als Nachtgläser werden Modelle bezeichnet, die eine hohe relative Lichtstärke aufweisen (z.B. 7x50, 8x56, 9x63). Ein hervorragendes sogenanntes „Nachtglas“ ist das 8x56 Linear oder Diorit.

Nachtgläser sind nicht mit den Nachtsichtgeräten oder Restlichtverstärkern zu verwechseln.

4.3 Restlichtverstärker

Restlichtverstärker sind für den Einsatz in der Nacht konzipiert. Diese Geräte benötigen das sogenannte Restlicht (Sternenlicht, Mondlicht usw.). Dieses Restlicht wird dann elektronisch bis zu 15.000-fach verstärkt. Durch den Einsatz einer zusätzlichen Lichtquelle (Infrarot-Licht) wird die Beobachtungsmöglichkeit des Restlichtverstärkers noch wesentlich erweitert. Man kann somit auch Beobachtungen bei totaler Finsternis durchführen.

ACHTUNG: das elektronische Bild eines Restlicht-Verstärkers ist aber in der Schärfe und Brillanz nicht mit einem optischen Bild eines Prismenglases zu vergleichen (meist grün leicht milchiges Bild).

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