09.05.25

Ein Kiesel vom Bodensee erzählt von fast 50 Millionen Jahre alten Einzellern

Während eines Kurztrips an den Bodensee bot sich die Gelegenheit, eine Wasserprobe zum Mikroskopieren zu entnehmen. Durch den aktuell außergewöhnlich niedrigen und weiter sinkenden Wasserstand war das Ufer nahe Langenargen bequem zu erreichen. Und gerade jetzt im Frühling stehen die Chancen besonders gut, Kieselalgen zu finden. Wer sich auf die Suche nach geeigneten Wasserproben macht, richtet den Blick natürlich auch auf die unzähligen Kiesel am Ufer. Ein Exemplar sprang dabei sofort ins Auge.

Dunkelgrauer Kiesel vom Bodensee mit fossilen Nummuliten, Großforaminiferen aus dem Eozän

Ein unauffälliger Kiesel mit spannender Geschichte

Stark verwittert und trocken, eher unscheinbar, kann man die Fossilien im Kiesel nur erahnen. Hier zeichnen sich hell sogenannte Nummuliten ab. Dabei handelt es sich um Großforaminiferen, auch Kammerlinge genannt. Foraminiferen sind einzellige Organismen, die überwiegend in warmen Meeren leben und sich ein Gehäuse (meist aus Kalk) bauen. Das Gehäuse besteht bei den Nummuliten aus mehreren Kammern, die als flache Spirale angeordnet sind. Der Name stammt daher auch von lat.: nummulus = kleine Münze. Bei den alten Ägyptern dienten die Nummuliten tatsächlich als Zahlungsmittel.

Mikroskopaufnahme eines Nummulitenkalks mit detailreichen Foraminiferen-Gehäusen und farbigen Mineralien

Nummuliten – Einzeller mit beeindruckender Größe

Heute lebende Großforaminiferen erreichen ca. 13 cm Durchmesser – eine enorme Größe für einen Einzeller. Die Nummuliten im Kiesel messen ca. 1-2 cm. Im Eozän, also vor 56-33,9 Millionen Jahren waren Großforaminiferen sehr verbreitet und zum Teil noch größer als heute. Zahlreiche im Sediment abgelagerte Gehäuse wurden zu Fossilien und bildeten die sogenannten Nummulitenkalke.

Mikroskopaufnahme eines Nummulitenkalks mit detailreichen Foraminiferen-Gehäusen und farbigen Mineralien
Mikroskopaufnahme eines Nummulitenkalks mit detailreichen Foraminiferen-Gehäusen und farbigen Mineralien

Wie kam der fossile Kiesel an den Bodensee?

Woher kommt nun dieser ca. 45 Millionen Jahre alte und damit geologisch eigentlich recht junge Nummulitenkalk an den Bodensee? Die Sedimente aus Kreidezeit und Alttertiär bildeten dicke Sedimentschichten, die später als Teil der Westalpen aufgefaltet wurden und in der Geologie als Helvetikum bezeichnet werden.

Polierter Kiesel vom Bodensee mit gut erkennbaren fossilen Nummuliten und Maßstab

Die Gerölle am Bodensee stammen jedoch aus dem gesamten Einzugsgebiet des ehemaligen Rheingletschers und enthalten daher überwiegend helle Kalksteine der helvetischen Kreide. Unser dunkelgrauer, gefleckter Kiesel passt hier also nicht dazu. Nummulitenkalke stammen eher nicht aus dem direkten Einzugsbereich des Rheingletschers, sondern oft aus der Gegend um Dornbirn im Bregenzerwald.

Ein ähnlicher Fund wurde im Artikel „Nummuliten-Kalksandstein – ein exotisches Geröll vom Bodensee“ in „Fossilien“ 04/2019 beschrieben. Woher der im Artikel beschriebene Kiesel genau stammt und wie er zum Fundort gelangt ist, bleibt letztlich ungeklärt und wird auch für unseren Fund nicht abschließend zu sagen sein. Vermutlich wurde das Geröll des Rheingletschers zusätzlich durch einen Fluss weitertransportiert. Wir sind jedenfalls begeistert über diesen Fund.

Farbenfrohe Mikrowelten im Gestein

Es bringt uns zum Staunen, wie viele unterschiedliche Foraminiferen (überwiegend die Gattungen Nummulites sp., Assilina sp. und auch einige kleinere) unter dem Mikroskop in diesem kleinen Kiesel zu erkennen sind. Eingebettet sind die Nummuliten in grauschwarzes Sedimentgestein, welches unter dem Mikroskop jedoch zahlreiche farbige Mineralien aufweist. Der hohe Eisengehalt hat sich beim Schleifen und Polieren bereits durch rotbraunen Schleifstaub verraten, es finden sich allerdings auch zahlreiche leuchtend grüne oder gelbe Minerale innerhalb und außerhalb der Kalkgehäuse. Wer hätte das bei dem unscheinbaren grauen Brocken geahnt?

Mikroskopaufnahme eines Nummulitenkalks mit detailreichen Foraminiferen-Gehäusen und farbigen Mineralien
Mikroskopaufnahme eines Nummulitenkalks mit detailreichen Foraminiferen-Gehäusen und farbigen Mineralien

Bilder aufgenommen mit Analyth STR, Smartphone (Samsung Galaxy S23). Bilder sind teilweise beschnitten.

BRESSER Analyth STR 10x - 40x Stereo Auflicht- und Durchlicht Mikroskop